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Tibetisches Wörterbuch

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Tibetische Literatur

Die klassische tibetische Literatur widmet sich überwiegend religiösen bzw. religiös-philosophischen Themen. Dies ist nicht erstaunlich, denn es waren vor allem Mönche, die Texte verfassten. Im Anschluss an den buddhistischen Kanon, dessen größter Teil aus indischen Sprachen übersetzt wurde, legten zahlreiche tibetische Gelehrte und Würdenträger immer wieder neu den Buddhismus für ihre Schüler und Anhänger aus. Ihre Unterweisungen – Kommentare, Abhandlungen, Ritualtexte, Dichtungen u. v. m. – wurden in häufig sehr umfangreichen Gesammelten Werken (gsuṅ-’bum, wörtl.: „hunderttausend Worte“) zusammengestellt. Der Umfang dieser einheimischen geistlichen Literatur übersteigt den des buddhistischen Kanons um ein Vielfaches.

Die Gelehrten verfassten nicht nur Abhandlungen zur buddhistischen Lehre, sondern schufen Literatur zu einem breiten Spektrum verschiedenster Themen: Grammatik, Poetik, Metrik, Lexikographie, Logik, Astrologie, Astronomie, Divination, Medizin, Geographie, Recht, Handwerk, Kunst und Musik. Mönche und gelehrte Laien verfassten auch historiographische Werke und Biographien (oder Hagiographien). Daneben gibt es Werke zur politischen Geschichte sowie Inschriften, Urkunden und Dokumente, die von weltlichen Beamten niedergeschrieben wurden und Einblicke in das gesellschaftliche Leben ihrer Zeit geben.

Setzt man den Umfang der in Tibet entstandenen Schriftwerke zu der Anzahl seiner Bewohner in Beziehung, so darf das Tibetische im weltweiten Vergleich als eine der produktivsten klassischen Literatursprachen gelten.

Das Wörterbuch der tibetischen Schriftsprache versucht dieser großen Vielfalt dadurch gerecht zu werden, dass es sich nicht auf eine einzelne Periode der tibetischen Geschichte oder eine bestimmte Literaturgattung beschränkt. Vielmehr schließt es repräsentative Werke verschiedenster Zeiten und Gattungen ein.