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Tibetisches Wörterbuch

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Geschichte des Projekts

Bis zum 20. Jahrhundert nahm die westliche Welt von Tibet kaum Notiz, denn nur wenige Ausländer hatten Zutritt nach Tibet. Daran konnten auch die Wörterbücher, die es damals schon gab, genauso wenig ändern wie das Interesse vor allem von Indologen und Buddhismuskundlern an tibetischen Texten. Ausnahmen sind in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts vor allem der Russe Andrej I. Vostrikov (1902–1937), der Brite Charles A. Bell (1870–1945) und der Italiener Giuseppe Tucci (1894–1984), die erste wissenschaftliche Informationen auch über die nichtkanonische tibetische Literatur lieferten.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Lage jedoch grundlegend. 1959 flohen der Dalai Lama und Zehntausende Tibeter nach Indien. Dabei brachten sie auch tibetische Texte in großem Umfang mit, die bis dahin unbekannt waren. Diese wurden nun in Indien nachgedruckt und so auch im Westen zugänglich. Mit dem Anstieg der Publikationen wuchs das Interesse für die tibetische Literatur. Besser als je zuvor konnten nun auch westliche Wissenschaftler mit tibetischen Gelehrten zusammenarbeiten, und die Tibetologie begann sich als akademisches Fach zu etablieren.

Zu jener Zeit, Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, wurde auch in München die tibetologische Forschung vorangetrieben. Der Sinologe und Mandschurist Erich Haenisch (1880–1966) und der Indologe und Iranist Helmut Hoffmann (1912–1992), der auch zur tibetischen Bon-Religion gearbeitet hatte, wollten die Erforschung der Sprache und Kultur Tibets auf eine solide Grundlage stellen. Beide waren Mitglieder der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und auf ihre Anregung hin wurde im Jahre 1954 die Kommission für zentralasiatische Studien an der Akademie eingerichtet.

Wesentliche Aufgabe dieser Kommission sollte es sein, den Wortschatz des Tibetischen zu erforschen. Einzelheiten über die Anfangszeit und die Geschichte des Münchner Wörterbuchs sind aus der Einleitung zur 1. Lieferung des Wörterbuchs zu ersehen. Hier sei nur festgehalten, dass es schon damals das Ziel war, Wortbedeutungen mit Textstellen aus der Originalliteratur zu belegen. Bereits 1954 wurde damit begonnen, Exzerpte zu kanonischen Texten anzufertigen.

In den Anfangsjahren waren es weitgehend Ehrenamtliche, die zu dem Projekt beitrugen. Erst im Jahr 1959 erhielt die Kom­mis­sion einen eigenen Raum und einen geringen Etat, der mit zusätzlichen Fördermitteln eine Beschäftigung von Fach­leuten über Werkverträge ermöglichte. 1964 wurde Helga Uebach, deren Dissertation in München von Hoffmann betreut wurde, mit der Arbeit für das Projekt betraut. Mit ihr arbeitete auch Jampa L. Panglung, der als tibetischer Gelehrter und Geistlicher nach München gekommen war und ebenfalls an der Ludwig-Maximilians-Universität promoviert wurde, systematisch an der Erhebung des tibetischen Wortschatzes.

Als Helmut Hoffmann Ende der 1960er Jahre in die USA ging, übernahm Herbert Franke (1914–2011), Professor für ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft, den Vorsitz der Kommission. Unter ihm erhielt die Kommission, die sich aus Stiftungsgeldern finanziert hatte, 1970 und 1972 zwei Planstellen. In den folgenden drei Jahrzehnten konnten die beiden Projektmitarbeiter, Helga Uebach und Jampa L. Panglung, die lexikographische Sammlung systematisch vervollständigen. Fachkollegen aus dem In- und Ausland konnten dafür gewonnen werden, mit ihren Beiträgen das Münchner Projekt zu unterstützen. Im Jahre 1980 nahm der Akademienverbund das Wörterbuch der tibetischen Schriftsprache  in sein Programm auf und sicherte damit das Projekt ab. Mit der Pensionierung der bisherigen Mitarbeiter folgten 2003 Johannes Schneider und 2005 Petra Maurer nach; Nikolai Solmsdorf und Samyo Rode hatten seit 2005 bzw. 2010 als studentische Mitarbeiter zum Vorhaben beigetragen, seit 2014 bzw. 2013 arbeiten sie ebenfalls als wissenschaftliche Mitarbeiter für das Projekt.

Oliver von Criegern von der IT-Abteilung der Akademie hat eigens für das Projekt ein datenbankgestütztes und browserbasiertes Redaktionssystem eingerichtet, mit dessen Hilfe die vier wissenschaftlichen Mitarbeiter gemeinsam das Wörterbuch der tibetischen Schriftsprache erstellen.

Die Publikation des Wörterbuchs der tibetischen Schriftsprache wurde 2005 aufgenommen. Seit 2020 werden die Inhalte des Wörterbuchs sukzessive auch online zugänglich gemacht. Das Projekt soll im Jahr 2030 abgeschlossen werden.